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Wallensteins Tod – aus englischer Sicht

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Das Ende Wallensteins gehört zu den sicher bekanntesten Episoden des Dreißigjährigen Kriegs. Die endlose Literatur zu ihm hat die Szene in Eger natürlich schon intensiv erforscht. Ich möchte nur ein Zeugnis dazu heranziehen, das ich zuletzt einige Male untersucht habe: den Reisebericht über die Mission Arundels zum Kaiserhof im Jahr 1636. Insofern könnte dieser Blogpost auch als „Englische Reiseimpressionen, VI“ gelabelt werden, doch will ich hier gar nicht auf diese Reisesituation eingehen. Klar ist nur, daß es sich hier um eine Form der Rezeption handelt – wie wurde das Ende Wallensteins aufgenommen? Der Bericht William Crownes, publiziert bereits 1637, bietet also einen sehr frischen Eindruck davon.

Ein kurzer Abschnitt, der der Persönlichkeit Wallenstein gewidmet ist, findet sich naheliegenderweise eingebettet in die Beschreibung über den Besuch des Palais Waldstein in Prag (S. 31 f.). Wallensteins Leben wird gar nicht geschildert, sondern praktisch nur sein Sturz und sein Ende. Gekennzeichnet wird er als „sole Commander of the Empire, and grew to great“. Die Eifersucht des Kaisers wird erwähnt, aber auch Wallensteins „plots which hee had laid against the Crowne“. Deswegen beauftragte der Kaiser, „to prevent the worst“, einige irische Capitäne „to cut him off“.

Und so passierte es auch, die Schilderung geht genau hier ins Detail: das plötzliche Eindringen in Wallensteins Schlafzimmer, wo man ihn in seinem Nachthemd antraf und dann niederstieß. Laut Crownes Bericht geschah dies mit „halberds“, also Hellebarden. Den zeitgenössischen deutschsprachigen Berichten zufolge war es eine Partisane, mit der man Wallenstein umbrachte – eine Petitesse, die dem Opfer egal sein mochte, in der Berichterstattung aber schon auffällt. Erst recht gilt dies für die Behauptung, daß man Wallenstein noch den Kopf abschlug, denn dies wird nur hier behauptet, ist sonst nicht weiter bekannt. Spätestens an der Stelle muß doch die Studie zu Wallensteins Ende von Heinrich Ritter von Srbik herangezogen werden, mit dessen minutiöser Rekonstruktion Crownes Bericht abzugleichen ist (v.a. S. 188-192).

Umgebracht wurde der Feldherr von Walter Deveroux, tatsächlich ein Ire, ebenso Walter Butler. Bei Egmont Burke ist man sich nicht so sicher, ob er Ire oder Schotte war (S. 182), während MacDaniel und Robert Geraldine und erst recht Walter Leslie eindeutig Schotten waren. Ob dies aus englischer Sicht eine bewußte Vereinfachung war oder ob Crowne hier einem Klischee folgte, daß man für solche ruchlose Aktionen am besten Iren einsetzte?

Aufschlußreich ist die Szene der Exekution, denn Crowne weiß auch hier Genaues: „Live Ferdinando, but dye traytour Wallensteine“, habe man gerufen. Tatsächlich ist ein „Vivat Ferdinandus“ beim Eindringen in die Egerer Burg gut bezeugt (nicht aber in Wallensteins Gemach). Den Feldherrn selbst hat man durchaus als Verräter angesprochen; Srbik erwähnt zwei wichtige Flugschriften mit dieser Version (S. 190). Anderen Versionen zufolge wurde Wallenstein als (rebellischer) Schelm adressiert. Wie reagierte das Opfer? „… he opened his armes and cried, Oh my God, embracing the stabs of the halberds“. Tatsächlich gibt es Berichte, denenzufolge Wallenstein die Arme öffnete und so den Todesstoßes empfing.

Vielen Relationen zufolge soll er den Tod schweigend erlitten haben, Srbik erklärt dies plausibel mit der prokaiserlichen Tendenz, das Schweigen als stilles Schuldeingeständnis verstanden wissen zu wollen (S. 191). Eine andere Version läßt den Feldherrn ein „Ah, Quartier“ sagen – eine Bitte um Verschonung also. Doch Crowne referiert nochmals anders, und mit der Gottesanrufung als novissimum verbum läßt er Wallenstein ganz im Sinne der vormodernen Sterbekunst noch eine letztmögliche Wendung zu Gott vollziehen und damit ein christgemäßes Sterben gelingen. Srbik führt zwar auch Quellen an, die ähnlich berichten (S. 397 Anm. 173 u.174), doch erscheint es wenig plausibel, daß Crowne sich darauf beziehen konnte. Ich vermute, daß der englische Berichterstatter weniger eine kaiserliche Sicht nachvollziehen sondern eher eine christlich geprägten Erwartungen gemäße und damit geglättete Version präsentieren wollte.

Die Frage nach der Schuld Wallensteins und der möglichen Berechtigung, ihn umzubringen, ja ihn hinzurichten, womit sich die Wallensteinforschung so lange beschäftigt hat, beantwortet der Bericht übrigens eindeutig. Der Kaiser war zwar „jealous of him“, doch habe sich der Feldherr auch gegen den Kaiser verschworen – der Bericht Crownes spricht Ferdinand II. einen „just cause“ zu. Überhaupt hat die Episode, so schauerlich sie auch insgesamt geschildert ist, einen klaren Bezug zum Zeitgeschehen. Denn sie schließt mit dem Hinweis, daß seine Exekutoren vom Kaiser „great rewards“ erhielten, „and they still continue much in his favour“. Sicher ein Hinweis darauf, mit wem der englische Gesandte womöglich am kaiserlichen Hof zu rechnen hatte.


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